FACHLICHE EVALUIERUNG

Autor: Dr. Anja Kürbis

„Jetzt für Professur bewerben“

Dieser Aufruf erschien am 10. Februar 1992 im Ilmenauer Hochschulblatt. Es war der offizielle Startschuss der sogenannten fachlichen Evaluierung. Diese folgte der inneren Evaluierung auf dem Fuße. Bestand anfangs die Aufgabe darin, die persönliche und politisch-moralische Integrität des wissenschaftlichen und Verwaltungspersonals zu prüfen, wanderte der Fokus nun auf die Bewertung der fachlichen Leistungen der Hochschullehrer und des wissenschaftlichen Mittelbaus.

RECHTLICHE GRUNDLAGE

Die Evaluationsordnung für Thüringer Hochschulen vom 6. Juni 1991 fixierte auch hier die rechtlichen Rahmenbedingungen. An jeder Hochschule waren Fachkommissionen einzurichten, die zu prüfen hatten, ob die „Professoren, Dozenten und andere berufungsfähige Mitglieder der Hochschule in nichtabgewickelten Bereichen“ über eine „für eine Ernennung zum Hochschullehrer erforderliche Qualifikation“ verfügten. (HSchulEvalO TH § 5 Abs. 1)

Für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter hatten die Fachkommissionen zu entscheiden, ob diese in ein entfristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis überführt werden oder ihnen die Kündigung ausgesprochen wird. (ebd. § 6 Abs. 9).

PHASE 1

Empfang der Kommissionsmitglieder am 7. Februar 1992 in Ilmenau (UAI, Negativ 920207-4).

Gemäß den Vorgaben der Evaluationsordnung wurden an der Technischen Hochschule Ilmenau fünf Fachkommissionen gebildet. Während an den Fakultäten für Mathematik und Naturwissenschaften, Elektrotechnik und Informationstechnik sowie Maschinenbau jeweils eine Fachkommission tätig war, deckten an der Fakultät für Informatik und Automatisierung gleich zwei Kommissionen die Bereiche Informatik und Automatisierung ab. Jede Fachkommission bestand aus fünf Professoren, die mehrheitlich aus den westdeutschen Bundesländern entstammten, zwei Mitarbeitern des Mittelbaus, einem studentischen Vertreter und einem Vertreter der jeweiligen Fakultät. Die Mitglieder der Fachkommissionen wurden durch die Dekanate vorgeschlagen und durch den Senat genehmigt.

Auf einem Empfang in Ilmenau am 7. Februar 1992 erläuterten Staatssekretär Dr. Brans, die Vertreterin des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, Frau Harjes-Ecker, und Rektor Prof. Köhler den Kommissionsmitgliedern das Prozedere der Evaluation: Bis zum 21. Februar hatten alle Hochschullehrer die Möglichkeit, sich auf insgesamt 89 Professuren an der TH Ilmenau zu bewerben. Welche Professuren zur Verfügung standen, konnte dem veröffentlichten Personalstrukturplan entnommen werden. Die Fachkommissionen hatten die Bewerbungen zu prüfen, Ranglisten zu erstellen und die Empfehlung sowohl an das Ministerium für Wissenschaft und Kunst als auch an den Rektor zu übersenden. Der Minister entschied über die Besetzung auf Basis dieser Empfehlungen, der Stellungnahme des Senates und der Stellungnahme der Personalkommission. Bei der Besetzung waren zuallererst die Bewerbungen von Mitarbeitern der TH Ilmenau zu berücksichtigen, dann die Thüringer Hochschullehrer und erst wenn dann noch immer kein geeigneter Kandidat gefunden werden konnte, war die Professur bundesweit auszuschreiben. (Quelle: UAI, Senatsprotokoll 27.02.1992)

Das Verfahren verlief unter hohem Zeitdruck, sollten doch die ersten Professuren mit Start des Wintersemesters 1992/93 besetzt sein. Und trotz einiger Einsprüche zum Verfahren und zu Empfehlungen der Fachkommissionen, trotz eher zwischen den Zeilen vernehmbarer Unsicherheiten der Kommissionsmitglieder, ging der Plan auf. Am 17. Oktober 1992 nahmen nicht nur die ersten Universitätsstudenten ihr Studium auf, sondern empfingen die ersten Professorinnen und Professoren neuen Rechts der Technischen Universität Ilmenau ihre Ernennungsurkunde. Hochschullehrer, die sich nicht beworben hatten oder deren Bewerbung nicht erfolgreich war, erhielten die Möglichkeit, den Titel „Professor alten Rechts“ zu tragen.

PHASE 2

Bereits im April 1992 begann die zweite Phase. Auch hier gab es rechtliche Rahmenbedingungen und Handlungsanweisungen durch die zuständigen Stellen, auch hier war das Vorhandensein einer Stelle im Personalstrukturplan eine essentielle Voraussetzung. Auch hier wurden sechs Fachkommissionen gebildet (die sechste war an der neuen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät angesiedelt). Das Verfahren unterschied sich jedoch von dem der Evaluierung der Hochschullehrer, auch wenn Staatssekretär Brans hier von einem „berufungsähnlichen Verfahren“ sprach: Binnen eines Monats hatte jeder wissenschaftliche Mitarbeiter über seine Qualitäten in Forschung und Lehre in einem Fragebogen Auskunft zu geben. Die Fragebögen wurden dann durch die Fachkommissionen begutachtet und Empfehlungen erarbeitet. Sowohl der Senat als auch der zu bildende Ausschuss für Sozialwahl hatten dann die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. All dies bildete letztlich die Grundlage für die abschließende Entscheidung des Ministers. Auch diese Phase wurde bis auf wenige Ausnahmen noch im selben Jahr abgeschlossen.

PERSONALSTRUKTUR

Ernennung der ersten Professor*innen neuen Rechts am 17.10.1992 (UAI, Negativ 921017-2-23)

Um das angestrebte Verhältnis von unbefristeten zu befristeten Stellen (30:70) gemäß dem Personalstrukturplan zu erreichen, wurden den wissenschaftlichen Mitarbeitern verschiedene Optionen eingeräumt:

Mitarbeiter unter vierzig Jahren in Qualifikationsphase erhalten eine befristete Qualifikationsstelle,
Mitarbeiter unter vierzig Jahren mit abgeschlossener Promotion erhalten entweder eine befristete Qualifikationsstelle oder eine unbefristete Stelle,
Mitarbeiter über vierzig, die nicht auf eine unbefristete Stelle übergeleitet wurden, verbleiben in ihrem Arbeitsverhältnis,
Mitarbeiter, die binnen fünf oder weniger Jahren das Rentenalter erreichen, wird ein vorgezogener Ruhestand empfohlen. (Quelle: UAI, Senatsprotokoll 07.04.1992)

In den „Richtlinien des Senates zur fachlichen Evaluierung“ wurde klar herausgestellt, dass die Fachkommissionen die „spezifischen Arbeitsbedingungen der Vergangenheit“ zu berücksichtigen hatten. Und jene, die aus politischen Gründen bis 1989 benachteiligt wurden, sollte bei entsprechender Eignung eine unbefristete Stelle angeboten werden. (Quelle: UAI, Senatsprotokoll 07.04.1992)

Für Rektor Köhler war gerade dieser Aspekt mit großen Hoffnungen verbunden, denen er im Juni mit folgenden Worten Ausdruck verlieh:

„So wird nach und nach ein zunehmend größer werdender beruhigter Kern entstehen, dessen Kraft und Moral gebraucht werden wird, um die Unruhe eines immer kleiner werdenden Personenkreises in Grenzen zu halten und ganz auszuräumen. Es ist hoffentlich die letzte Runde in der Vergangenheitsaufarbeitung, und ich vertraue wie bisher auf die Gewissensentscheidung der Betroffenen …“ (Quelle: IHB 35, 1992, 9, S. 3)