LANDESHOCHSCHULGESETZ – „WIR SIND UNIVERSITÄT“

Autor: Luise Ott und Dr. Anja Kürbis

Am 11. Juli 1992 trat das Thüringer Hochschulgesetz in Kraft, welches der Technischen Hochschule Ilmenau den Universitätsstatus verlieh. Obwohl es den Wissenschaftsstandort Ilmenau erheblich aufwertete, war doch die Erabeitung und Veröffentlichung des Gesetzestextes stark umstritten. Denn nicht weniger als die Autonomie der Thüringer Hochschulen stand auf dem Spiel.

DAS NEUE HOCHSCHULGESETZ

Im Einigungsvertrag war festgelegt worden, dass die neuen Bundesländer innerhalb von drei Jahren eigene Landeshochschulgesetze zu verabschieden hatten, die dem bundesdeutschen Hochschulrahmengesetz entsprachen. Bis dahin galt in diesen Ländern mit der „Vorläufige[n] Hochschulordnung“ vom 18.09.1990 ein Übergangsrecht, welches vor allem die Leitungs- und Personalstrukturen neu ordnete und den Hochschulen Zeit gab, ihren Erneuerungsprozess in eigener Verantwortung zu gestalten.

Thüringen verabschiedete bereits im Mai 1991 ein vorläufiges Landeshochschulgesetz (GVBl. 8/1992 S. 79), das bis zur Erarbeitung eines endgültigen Thüringer Hochschulgesetzes gelten sollte. Während der Entstehung des Gesetzentwurfs wurde eine Verlängerung des Diskussionszeitraums gefordert, um die demokratische Mitwirkung aller Mitgliedergruppen zu gewährleisten.

Am 11.07.1992 trat schließlich das endgültige Hochschulgesetz für das Land Thüringen (ThürHG GVBl. 18/1992, S. 315) in Kraft. Neben der Umbenennung der Technischen Hochschule Ilmenau wurden auch die Fachhochschule Erfurt, die Fachhochschule Jena sowie die Fachhochschule Schmalkalden ins Hochschulgesetz integriert. Gleichzeitig wurden aber auch neue Regelungen getroffen, die von den Hochschulmitgliedern bereits im Entstehungsprozess einer heftigen Kritik unterzogen waren.

STIMMEN ZUM GESETZESENTWURF

Im Juli 1991 fand an der Technischen Hochschule Ilmenau eine Podiumsdiskussion zum Referentenentwurf statt, in dem die Mitglieder der Hochschule vor allem die Einschränkung der Autonomie der Hochschulen kritisierten. Statt der im Entwurf festgeschriebenen Mehrheit der Professorengruppe in Gremien mit Entscheidungsbefugnissen forderten sie eine Drittelparität von Professoren, akademischem Mittelbau und Studierenden. Zudem wurde kritisiert, dass die Erfahrungswerte aus Ilmenau und anderen ostdeutschen Hochschulen im Rahmen der Anpassung ans westdeutsche Hochschulsystem nicht berücksichtigt wurden.

Auch der zweite Entwurf, der im November 1991 vorgelegt wurde, berücksichtigte diese Hinweise nicht. Die vom Senat am 3. Dezember beschlossene Stellungnahme führte zusätzlich unter anderem folgende Forderungen an:

  • Die Hochschulkonferenz als Versammlung aller staatlichen Hochschulen des Landes müsse sehr viel stärker in die Gestaltung der Hochschulpolitik einbezogen werden, als vorgesehen. Beschlüsse dürfe das Ministerium nur im Einvernehmen mit der Hochschulkonferenz fassen.
  • Dem Rektor solle ein eigener Globalhaushalt zur Verfügung stehen, wie es derzeit in den Altbundesländern diskutiert wird, und über diesen frei verfügen können.
  • Der Einigungsvertrag räumt dem Erneuerungprozess der Hochschulen einen Zeitraum bis zum 1. Oktober 1993 ein. Der Thüringer Vorstoß setze die Hochschulen unter Zeitdruck, der diesen zum Nachteil gereichen würde.

„Bei der demokratischen Umgestaltung haben Vertreter des akademischen Mittelbaus und der Studentenschaft engagiert und konstruktiv mitgewirkt. Mit einer Verlängerung des Anpassungszeitraums in §126, (1) wird der gegenwärtige Prozess kontinuierlich fortgesetzt und ein Exmperimentierzeitraum geschaffen, um z.Z. praktizierte Reformmodelle bewertungsrelevant zum Ende zu führen.“ (Quelle: Vorschläge zur Veränderung der 2. Fassung des Entwurfs des Thüringer Hochschulgesetzes vom 4.11.91 (ThGH), in: UAI, Senatsprotokoll vom 3.12.1991)

Noch im Juni 1992 bat der Wissenschaftliche Rat den Landtag, das Gesetz in der vorliegenden Fassung am 24. Juni 1992 nicht zu verabschieden. Dennoch und obwohl über 100 Änderungsanträge der Fraktionen im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst eingingen, wurde das Gesetz am 10.07.1992 veröffentlicht. Statt der gewünschten Drittelparität wurde – wie bereits im ersten und viel kritisierten Entwurf – die Mehrheit der Sitze der Professoren in den Gremien mit Entscheidungsbefugnissen festgeschrieben. Konkret heißt es dazu in §39, Absatz 6: „In allen Gremien mit Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten, die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung von Professoren oder Hochschuldozenten berühren, verfügen die Professoren über die Mehrheit der Sitze und der Stimmen.“ Wenn auch die Verleihung des Universitätsstatus für die Ilmenauer eine erfreuliche Anerkennung ihrer Leistungen war, konnte dies nicht über die Enttäuschung über das neue Hochschulgesetz hinwegtäuschen.

17. OKTOBER – EIN DREIFACHES FEST

Rede des Rektors auf dem Festakt am 17.10.1992 (UAI, Negativ 921017-23)

Seit dem 11.07.1992, einen Tag nach der Veröffentlichung des neuen Hochschulgesetzes, trug die Hochschule nun offiziell den Namen „Technische Universität Ilmenau“. Noch vor dem Festakt im Rahmen der Immatrikulationsfeier am 17. Oktober meldet sich der Rektor im inzwischen als Ilmenauer Uni-Nachrichten umbenannten Hochschulblatt mit folgenden Worten an die Studierenden:

„Die guten Nachrichten zuerst. Erstens: Wir sind Universität. Die Anstrengungen seit 1953 haben trotz Isolierung und Bevormundung ein Niveau ergeben, daß die Thüringer Parlamentarier zur Annahme unseres Antrages veranlaßt hat. Niemand aus der deutschen Bildungsszene war dagegen. Ich habe ein drückendes – kein bedrückendes – Gefühl ob dieser Benennung: Technische Universität Ilmenau: Wir werden hart arbeiten müssen, um das hohe Niveau zu halten und zu verbreitern.“ (Quelle: Rede zur Immatrikulationsfeier am 17. Oktober 1992, in: UAI, A3/613)

Der Festakt stellte zugleich die Immatrikulationsfeier für die 420 neuen Studierenden dar (hier weicht die Statistik von dem vom Rektor gefeierten 430 Neueinschreibungen ab). Rektor Köhler hieß sie herzlich willkommen mit den Worten: „Sie kommen nicht in die Kälte einer teilnahmslosen Gesellschaft, sondern in die Wärme einer Gemeinschaft, deren Glieder aufeinander angewiesen sind.“ (Quelle: Rede zur Immatrikulationsfeier am 17. Oktober 1992, in: UAI, A3/613)

Das frisch sanierte Oeconomicum im Oktober 1992 (UAI, Negativ_921009-2-2a)

Und als wäre dies nicht genug, wurde am 17. Oktober 1992 das Oeconomicum der jungen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften als Fakultätsgebäude übergeben. Bereits im Wintersemester 1990/91 hatte der Senat Prof. Horst-Tilo Beyer von der Universität Erlangen/Nürnberg mit der Gründung dieser Fakultät in Ilmenau beauftragt.

Firmierte sie noch im Frühjahr 1991 unter der Bezeichnung „Fakultät für Wirtschaftsinformatik und -ingenieurwesen (in Vorbereitung)“, erschien bereits im April 1992 das Info-Blatt „Durchblick“, mit dem der Gründungsdekan über die „Fakultät für Wirtschaftswissenschaften“ informierte. Am 16. Oktober 1992 konstituierte sich die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Wirtschaftswissenschaften an der TU Ilmenau. Mit den Wahlen zum Fakultätsrat im Juli 1993 galt der Gründungsprozess der Fakultät als abgeschlossen. (Quelle: Tätigkeitsbericht des Rektors 1990-1993, Ilmenau 1994, S. 57) Doch sollte der 17. Oktober 1992 als eigentliches Gründungsdatum der Fakultät in die Geschichte eingehen.