WAHL DAGMAR SCHIPANSKIS IN DEN WISSENSCHAFTSRAT

Autor: Dr. Anja Kürbis

Am 16. Januar 1992 wurde die Ilmenauer Professorin Dagmar Schipanski in den Wissenschaftsrat berufen. Die Berufung erfolgte auf einen gemeinsamen Vorschlag, an dem u.a. die DFG und die Hochschulrektorenkonferenz beteiligt war. Für die Technische Hochschule Ilmenau war dies ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Universität.

DAGMAR SCHIPANSKI

Doz. Dr. Dagmar Schipanski mit Prof. Eberhart Köhler an der Sektion PHYTEB (UAI, Negativ 87-8501)

Die Professorin für Festkörperelektronik war zu dieser Zeit auf wissenschaftspolitischem Parkett längst keine Unbekannte. Bereits 1991 wurde sie als Gutachterin für wissenschaftliche Programme nach Brüssel berufen.

Und auch als Dekanin einer Fakultät hatte sie sich mit der Zusammenführung mehrerer Sektionen zur Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, der Neustrukturierung der Institute, der Konzipierung neuer Studiengänge und der Erarbeitung einer Studienordnung hohe Anerkennung erworben.

Das heikle Thema der personellen Transformation ging sie mit Einfühlungsvermögen, aber auch dem festen Willen für einen Neubeginn an. (Quelle: IBH 34, 1991, 15, S. 2)

EVALUATION DURCH DEN WISSENSCHAFTSRAT

In dieser Funktion begleitete sie die Vor-Ort-Begutachtung der Ilmenauer Hochschule durch den Wissenschaftsrat am 16. April 1991. Der Wissenschaftsrat, das politische Beratungsgremium auf Bundesebene, war durch § 38 des Einigungsvertrages von 1990 mit der Evaluierung der öffentlichen Wissenschaftseinrichtungen bis zum 31.12.1991 beauftragt worden. Ausgangspunkt für diese Tätigkeit war u.a. die Annahme, dass das Verhältnis von Forschung und Lehre in der DDR unausgewogen gewesen sei, da die Forschung v.a. außerhalb der Hochschulen stattgefunden hätte. (Quelle: Entschließung des 165. Plenums der HRK am 4. November 1991)

In den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu den Ingenieurwissenschaften der neuen Länder vom 5. Juli 1991 wurde die „überregionale Bedeutung“ der TH Ilmenau herausgestellt. Allerdings, und dies galt für alle Thüringer Ingenieurwissenschaften (Jena, Weimar, Ilmenau), müsse die „zu enge Spezialisierung der Ingenieurfächer … im Interesse der Absolventen rasch überwunden werden.“ Der Technischen Hochschule Ilmenau riet der Wissenschaftsrat in der mittelfristigen Perspektive die Entwicklung zu einer im Vergleich zur TU Dresden und den Technischen Universitäten der alten Bundesländer kleineren TH mit dem Profil Elektrotechnik, (Technische) Informatik, Automatisierungstechnik und Maschinenbau (Feinwerktechnik) an. Ein zu rascher Ausbau zu den von Land und Hochschule geplanten sechstausend Studienplätzen sei, so der Hochschulrat, nicht empfehlenswert, da dafür die wissenschaftliche Basis fehle. Dennoch empfahl der Wissenschaftsrat den Ausbau der TH Ilmenau zur Technische Universität des Landes. (Quelle: Empfehlungen zu den Ingenieurwissenschaften an den Universitäten und Technischen Hochschulen der neuen Länder vom 5. Juli 1991, S. 109 und S. 130).

Ein gutes Jahr später, als Dagmar Schipanski bereits Mitglied des Wissenschaftsrates war, positionierte sich der Wissenschaftsrat zur Technischen Hochschule Ilmenau erneut:

„Die Technische Hochschule Ilmenau, die bisher ganz überwiegend auf die Elektrotechnik ausgerichtet war, soll mittel- und längerfristig zur Technischen Universität des Landes ausgebaut und zunächst um die Fächer Informatik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen ergänzt werden.“
(Quelle: Stellungnahme zu den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichen an den Universitäten der neuen Länder vom 3. Juli 1992, S. 137)

Über die Transformation des DDR-Wissenschaftssystems berichtet Prof. Schipanski in einem sehenswerten kleinen Video auf dem Youtube-Kanal des Wissenschaftsrates.

DIE ERSTE FRAU: PROF.  SCHIPANSKI

Rektorin Prof. Dr. Schipanski 1995 (UAI, Negativ 950419_16)

Die Mitgliedschaft im Wissenschaftsrat war für Prof. Schipanski der „Startpunkt in die Politik“ (Quelle: 30 Jahre Deutsche Einheit, hrsg. von der Universitätsgesellschaft Ilmenau, Ilmenau 2020, S. 199). Hier konnte sie nicht nur die Interessen ihrer Hochschule einbringen, sondern an der Umgestaltung der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft aktiv mitwirken. Und dies tat sie mit Erfolg und Pioniergeist. 1995 trat sie als erste Frau das Rektorat der Technischen Universität Ilmenau an. 1996 wurde sie ebenfalls als erste Frau zur Vorsitzenden des Wissenschaftsrates gewählt und erhielt für ihr wissenschaftspolitisches Wirken am 8. Oktober 1996 das Bundesverdienstkreuz.

Im Jahr 2000 brachte Dagmar Schipanski ihr politisches Programm mit folgenden Worten auf den Punkt:

 „Eine neue Politikgestaltung oder eine neuer Politikstil muss darin bestehen, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft viel mehr miteinander in Diskussion kommen, dass sich Netzwerke herausbilden.“ (Quelle: Frauen und Macht, in: Friedenspolitik und Friedensforschung. OSNABRÜCKER FRIEDENSGESPRÄCHE 2000, Osnabrücker Jahrbuch Frieden und Wissenschaft VIII/2001, S. 40)