DER VORABEND DES JAHRES 1992
Autor: Dr. Anja Kürbis
Im Jahr 1992 befand sich die Technische Hochschule Ilmenau inmitten eines grundlegenden Transformationsprozesses. Es ging um nichts Geringeres als einen strukturellen und personellen Umbau, die Umgestaltung der Forschungsinfrastruktur und die Erneuerung der Studienformen – und all dies während des laufenden Studienbetriebs.
ADMINISTRATION
Seit dem 27. April 1990 wurde die Hochschule erstmals seit ihrer Gründung von einem demokratisch gewählten Rektor, dem Elektrotechniker Prof. Eberhart Köhler, geleitet. Ihm zur Seite standen der Prorektor für Bildung, Prof. Friedhelm Noack, und der Prorektor für Wissenschaft, Prof. Wolfgang Gens.
Die Politik der Hochschule bestimmte der Wissenschaftliche Rat: Ein paritätisch besetztes Gremium aus Hochschullehrern, Studenten, wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern. Für die Fragen des akademischen Lebens war der Senat der Hochschule zuständig.
Personalrat, der Hochschulstudentenrat sowie die Gleichstellungsbeauftragte waren als Interessenvertretungen installiert.
Im Herbst 1990 gab sich die Hochschule mit der Grundordnung eine eigene vorläufige Verfassung, die als Ausdruck der neuen Hochschulautonomie nicht in allen Punkten den geltenden rechtlichen Rahmenregelungen entsprach.
STUDIUM
Das Wintersemester 1991/92 begann mit fünf Fakultäten, sieben Studiengängen und 530 Studienanfängern (1990/91 nahmen 674 Studenten ihr Studium an der Hochschule auf). Insgesamt waren 2507 Studenten eingeschrieben. Ihnen standen neben den alten Studiengängen ganz neu konzipierte Studiengänge offen, wie z.B. die Wirtschaftsinformatik. Andere, wie die Umwelttechnik, waren in Planung.
Die Fakultäten hatten die seit mehr als zwanzig Jahren bestehenden Sektionen abgelöst bzw. wurden neu formiert. Folgende Fakultäten hatten bereits ihre Arbeit aufgenommen:
- Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften (MN) mit dem Dekan Prof. Christoph Schnittler
- Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik (EI) mit der Dekanin Prof. Dagmar Schipanski
- Fakultät für Automatik und Informatik (IA) mit dem Dekan Prof. Günter Henning
- Fakultät für Maschinenbau und Feinwerktechnik (MF) mit dem Dekan Prof. Peter Wiesner
Die Fakultät für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften unter Leitung des Dekans Prof. Horst-Tilo Beyer war bereits in der Grundordnung verankert, befand sich Ende 1991 jedoch noch immer in der Gründungsphase.
PERSONAL
Der personelle Umbau war der schwierigste Prozess, wurde doch über das Schicksal menschlicher Existenzen entschieden. Ängste und Unsicherheiten und das Bedürfnis nach verlässlichen Informationen über die Zukunft des eigenen Arbeitsplatzes prägten diese Monate.
Bereits 1990 erhielten Mitarbeiter aus politischen oder Bedarfsgründen die Kündigung. Institute und ganze Einrichtungen, wie die Sektion für Marxismus/Leninismus oder die Abt. Plasmatechnik Meiningen, wurden aufgelöst. Die Überprüfungen auf die Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit sollten diese Entscheidungen untermauern.
Ein Jahr später lief die sogenannte „Innere Evaluierung“ an: Hier beurteilten die Mitarbeiter sich gegenseitig im Hinblick auf ihre persönliche und moralische Integrität.
Flankiert wurden diese Maßnahmen durch die Erarbeitung von Personalstrukturplänen. Diese zeigten dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Kunst den Personalbedarf für die nächsten Jahre auf.
Angesichts dieser Lage wendet sich im November 1991 Rektor Köhler mit folgenden Worten an die Mitarbeiter seiner Hochschule:
„Ich bitte Sie alle dringend, Lehre und Forschung mit Nachdruck zu betreiben. Inzwischen habe ich verspürt, daß die TH Ilmenau in Deutschland einen guten Namen hat und deshalb meine Auftritte im In- und Ausland großes Gewicht haben. Aber die Achtung, die man mir zollt, rührt weitgehend von den Lehr- und Forschungsleistungen des Hochschulpersonals her. Deshalb: Trotz bestehender Unsicherheiten und Unklarheiten – geben Sie Ihr Bestes für das Unternehmen Technische Hochschule Ilmenau. Ich werde auch weiterhin alles tun, damit wir schnell aus der Unsicherheit herauskommen.“ (ihb 15/91, S. 3)